»Lüneburger Polizei will Journalisten behindern«

jw-Interview mit Pressesprecher der Kampagne »Castor? Schottern!«

Das folgende Interview erschien in der jungen Welt vom 09.11.2011:

»Lüneburger Polizei will Journalisten behindern«
Sie verlangt spezielle Akkreditierungen für die Berichterstattung über die Castortransporte. Ein Gespräch mit Mischa Aschmoneit
Interview: Gitta Düperthal

Mischa Aschmoneit ist Pressesprecher der Kampagne »Castor? Schottern!«. Diese wird unterstützt von Aktivisten aus Umweltbewegungen wie BUND und Robin Wood, der Antifa, der Partei Die Linke, der DKP und den Jugendverbänden der beiden letztgenannten, Solid bzw. SDAJ sowie der Interventionistischen Linken.

Der Polizei in Lüneburg reicht der Presseausweis nicht aus, wenn Journalisten zum Castortransport ab 24.November im Wendland recherchieren. Sie bietet ein zusätzliches »freiwilliges« Akkreditierungsverfahren, weist aber darauf hin, daß es Nachteile bringt, das Angebot nicht zu nutzen. Können Sie sich einen Reim auf diese merkwürdige Prozedur machen?

Bereits in den vergangenen Jahren haben wir die Erfahrung gemacht, daß Journalisten behindert werden. Die Begründung war, der offizielle Presseausweis reiche nicht aus, es sei ein beglaubigtes Schreiben der Lüneburger Polizei nötig. Ohne ein solches Schreiben wurden Journalisten z.B. zu deren Pressekonferenzen nicht zugelassen.

Die Lüneburger Polizei zeigt schon jetzt wieder offen, daß sie vom Grundgesetz nichts hält und Pressevertreter auch in diesem Jahr wieder bei ihrer Arbeit behindern will. Die sogenannte »freiwillige Akkreditierung« ist unseres Erachtens ein unzulässiger Eingriff in die Pressearbeit. Polizeibehörden steht es nicht zu, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, wer als Journalist gilt und akkreditiert wird. Die offene Drohung mit dem Ausschluß von Pressekonferenzen, mit intensiven Kontrollen und langen Wartezeiten für all die Journalisten, die nicht bereit sind, sich ihre freie Berufsausübung erst von der Polizei gestatten zu lassen, ist inakzeptabel.

Wie sieht die Behinderung der Pressearbeit in der Praxis aus?

Journalisten werden aufgefordert, ihren Ausweis zu zeigen. Haben sie das beglaubigte Schreiben der Polizei nicht dabei, hält diese sie so lange auf, bis der verantwortliche Pressesprecher kommt, um den offiziellen Presseausweis zu begutachten und danach eventuell die Weiterfahrt zu genehmigen. Da dieser sich mitunter nicht in der Nähe befindet, kann das lange dauern. Aus Gründen der Berufsehre lehnen aber, wie wir erfahren haben, viele Journalisten diese zusätzliche Akkreditierung ab.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union hat darauf hingewiesen, daß der von Berufs- und Verlegerverbänden seit Jahren ausgestellte Presseausweis auch beim Castortransport zum Zutritt zu allen Orten und Ereignissen berechtigt. Was empfiehlt die Kampagne »Castor? Schottern!« den Medienvertretern im Fall polizeilicher Behinderung?

Wir können ihnen keine Empfehlung geben, wie sie ihre Arbeit machen – aber wir laden alle dazu ein, unsere Aktionen gegen den Castortransport zu begleiten. Bei uns gibt es keinerlei Akkreditierung. Wir nehmen alle anwesenden oder zuvor telefonisch angekündigten Journalisten mit auf unserem Weg. Wir sind offen und beantworten alle Fragen. Wenn der Castor kommt, werden wir gruppenweise von verschiedenen Camps und Wohnungen aufbrechen und zu den Schienen gehen. Wir werden die Steine unter den Gleisschwellen entfernen, so daß der Castor nicht darüber fahren kann.

Was beabsichtigt die Lüneburger Polizei mit ihrem Verhalten gegenüber Journalisten?

Sie hat etwas zu vertuschen – und zwar ihre Brutalität. Sie will ihr Tun vor der Öffentlichkeit verbergen. Wer sich die Bilder vom vergangenen Jahr in Erinnerung ruft, weiß, in welchem Ausmaß Polizisten Schläge ausgeteilt haben. Sie haben Pfefferspray eingesetzt und Wasserwerfer – trotz der niedrigen Temperaturen.